Iran

 

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Bevor wir beim iranischen Zoll angelangt waren, musste Nathalie das Kopftuch "montieren". Die Formalitäten waren erstaunlich schnell erledigt und wir wurden beim Ausgang von einer riesigen Menschenmenge empfangen. Einige winkten mit dicken Geldbündeln um Geld zu wechseln. Zuerst einmal kämpften wir uns aus diesem Chaos heraus und begaben uns ins Stadtzentrum. Nathalie kaufte sofort beim Basar ein neues, leichteres Kopftuch. Bei dieser Hitze ist es wirklich eine Tortur mit Langarm und Kopftuch, und erst recht, wenn man sich noch sportlich betätigt!

In den Regionen am Kaspischen Meer wird hauptsächlich Reisbau betrieben. Die Frauen in den Plantagen winken uns meistens zu oder sie staunen einfach. Der erste Tag im Iran war sehr eindrücklich, aber auch anstrengend. Als wir in Hashtpar anhielten, wurden wir von einem älteren Herrn zum Tee eingeladen. Er wohnt mit seiner Frau in einer grossen Wohnung. Als sie uns aufforderten, bei ihnen zu schlafen, nahmen wir das Angebot an. Man muss jedoch vorsichtig sein, da diese Grosszügigkeit auch reine Höflichkeit sein kann und es im Grunde genommen nicht ernst gemeint ist. Abends beim Çay, als wir Fotos von unseren Familien zeigten, meinte die Frau plötzlich, Nathalie soll das Kopftuch und die Langarm-Jacke ausziehen. Das liess sie sich natürlich nicht zwei Mal sagen. Ansonsten muss man (Frau) aufpassen, weil es strafbar ist, sich ohne Kopftuch in der Öffentlichkeit zu zeigen.

Die Strasse Richtung Tehran führte über einen 1550 Meter hohen Pass. Unterwegs gibt es immer wieder Polizeikontroll-Posten, bei welchen üblicherweise ein Wohnwagen mit "Police"-Beschriftung stationiert ist. Da wir keinen passenden Platz zum Zelten gefunden hatten, fragten wir die Polizisten um Rat. Sie meinten, wir sollen unser Zelt „side by side Police“ aufbauen. Ein Polizist half uns sogar beim Aufstellen des Zeltes, sein Chef gab ihm jedoch zu verstehen, dass er das unterlassen soll.

Aus einigen Gesprächen mit Einheimischen, die englisch oder deutsch sprechen, vernahmen wir, dass sie mit der politischen Situation und mit ihrem „Leader“ im Lande überhaupt nicht einverstanden sind.
Der 18-jährige Biker Navid begleitete uns bis nach Qazvin. Dort besuchten wir u.a. das Mausoleum, in welchem das Grab des Sohnes des 8. Imams Reza verehrt wird. Der Eingang sowie der Innenhof ist mit farbigen Spiegelmosaiken eingekleidet. Im Zentrum des Innenhofes befindet sich ein Scheinsarg. Männer und Frauen haben getrennte Besucher-Räume, wobei die Frauen den Chador überziehen müssen. Einige Frauen weinten beim Grab und viele küssten das Gitter, welches den Sarg umgibt. Dem Heiligtum darf man nicht den Rücken kehren und beim Verlassen des Raumes muss man rückwärts laufen.

Zusammen mit den Eltern und seinen Geschwistern kam Radler Navid zu uns ins Hotel. Er wollte mit uns nach Tehran fahren und weiter nach Esfahan. Seine Familie erkundigte sich, ob es für uns in Ordnung sei und natarlich wollten sie auch wissen, mit wem ihr Junge unterwegs ist.
Am späten Nachmittag kamen wir bei einer Temperatur von 44°C, nach 152 km im Sattel und bei einem bisher unschlagbaren Verkehrs-Chaos in Theran an.
In den nächsten Tagen werden wir im Alborz-Gebirge, welches sich nördlich von der Hauptstadt befindet, den 5671 m hohen und erloschenen Vulkan Damavand besteigen.

Die Besteigung des Kuh-e Damavand entpuppte sich als grosse Herausforderung. Morgens um 5 Uhr verliesssen wir zusammen mit Navid, dem 18-jährigen Biker, die Grossstadt Tehran in Richtung Alborz-Gebirge. Die Strasse führte über einen 2600 m hohen Pass und wir mussten dauernd anhalten um etwas kühles zu trinken, da uns der Schweiss bei 45°C nur so runterlief. Auf der Passhöhe rasteten wir kurz. Vis-à-vis befand sich eine Polizei-Station und wir wurden aufgefordert unsere Visas zu zeigen. Man weiss bei den iranischen Staats-Angestellten nie genau, was sie eigentlich wollen. Deshalb nervten wir uns über diesen Polizisten, der unsere Pässe aus lauter Langweile kontrollierte. Zum zweiten Mal rief er uns von der anderen Strassenseite zu sich. Wiederwillig folgten wir seiner Aufforderung. Als er uns jedoch eine Schale mit Melonen-Schnitzen überreichte, trauten wir unseren Augen kaum!

Erst gegen Abend kamen wir in Reineh, der Ausgangspunkt unserer Expedition, an. Es musste noch alles organisiert werden für die Besteigung des 5710 m hohen erloschenen Vulkan Damavand. Im Shop kauften wir Essen für zwei Tage. Vom ersten Camp, welches sich auf einer Höhe von 2950 m befindet, marschierten wir los. Ein Maultier brachte unser Gepäck zum zweiten Camp, situiert 4200 m.ü.M. Gegen Mittag erreichten wir das Lager. Was wir dort jedoch antrafen war ziemlich erschreckend: Abfall häuft sich soweit das Auge reicht und da es keine Toilette gibt, stinkt es dementsprechend. Wir hatten Glück, dass wir in diesem kleinen Camp noch Kajüten-Betten kriegten, in welchen teilweise Holzlatten fehlten. Nachmittags kamen immer mehr Bergsteiger, die einten vom Gipfel, die anderen von der Schutzhütte. Wir beschlosssen zusammen mit einem Paar aus Polen und zwei Iranis, um 3 Uhr loszumarschieren. Von Schlaf konnte diese Nacht keine Rede sein.

Leichte Kopfschmerzen machten sich bemerkbar u! nd in der Hütte war reger Betrieb. Um 2 Uhr standen wir auf, kochten Tee und assen wenig Brot und Käse. Dann brachen wir auf zum Gipfel. Obwohl die Sonne bereits um 4.30 Uhr aufging, wurde es immer kälter, je näher wie zum Gipfel kamen. Die letzten 300 Höhenmeter waren besonders hart und wir schleppten uns Schritt für Schritt dem Gipfel entgegen. Das Vulkan-Gestein war locker, der Schwefel stieg einem in die Nase, der eiskalte Wind bliess ins Gesicht und natürlich fehlte in dieser Höhe der Sauerstoff. Total zerschlagen, aber überglücklich, erreichten wir den Gipfel. Der Abstieg schien unendlich lang und wir fühlten uns alle nicht besonders gut. Nur einen Tag Anklimatisierung auf der Höhe von 4200 m ist das absolute Minimum. Zurück in der Hütte kochten wir uns kurz eine Bouillon-Suppe, wonach wir uns ein bisschen besser fühlten.

Beim ersten Camp wurde am gleichen Tag eine Kasse aufgestellt, wo alle ausländischen Touristen USD 50 für die Besteigung des Gipfels zahlen müssen. Uns ärgerte dies, da die Iranis keinen Cent bezahlen und wir reklamierten beim Chef vom Mountaineering Club. Das Geld fliesst bestimmt nicht zur Unterhaltung der Camps und der Natur, sondern direkt zum Präsidenten und seinem Regime. Morgens nach unserem Gipfelsturm erwachten wir mit geschwollenen Augen, aufgesprungenen Lippen und einem riesigen Muskelkater. Wir beschlossen, die anstrengende Strecke retour nach Tehran ausnahmsweise per Bus zu fahren. Bei Sonnenaufgang verliessen wir in Begleitung von Navid die Gross-Stadt in Richtung Isfahan. Die Strasse führt am Rande der Kavir-Wüste entlang nach Qom.

Bereits in den kleinen Städten südlich von Tehran spürte man den stark schiitisch geprägten Einfluss und die Leute sind eher zurückhaltend gegenüber Touristen aus dem Westen. Im Gegensatz zu Tehran und den nordwestlichen Teilen Irans, in welchen wir offenherzig empfangen und mit Melonen, Nüssen, Gurken, Feigen oder Datteln beschenkt wurden. In Qom lebte der Revolutionsführer Khomeini, dessen Foto heute noch überall hängt und der viele Anhänger hat. Fast alle Frauen in dieser Region tragen einen schwarzen Chador und die Einheimischen sind sehr gläubig. Sie sehen in uns eher Boten der westlichen Kultur und verhalten sich uns gegenüber zurückhaltend.

In Kashan besuchten wir, zusammen mit der Motorradfahrerin Lili und ihrem Vater Bruno, den persischen Paradiesgarten. Da befindet sich eine äusserst ergiebige Quelle, welche durch etliche Wasser-Kanäle den Garten bewässert. Lili legte sich mitsamt ihrem Chador in den Bewässerungskanal, was bei den Einheimischen zu einer grossen Aufregung führte. Etwas später kühlten wir uns kurz in dem sauberen Wasser im Bassin ab, natürlich mit Langarm-Kleidern und Kopftuch, wie sich das gehört. Innert Sekunden pfiffen die Sittenwächter vom Park aus allen Richtungen. Sie getrauten sich jedoch nicht, uns zu nähern und wir sahen ihre Gesichter nur durch die Büsche.

Auf der Autobahn radelten wir weiter Richtung Isfahan. Die Landschaft ist sehr karg. Es gibt nur einige wenige verlassene Dörfer mit zerfallenen Lehmhütten. Lili borgte uns ihren iPod bis nach Isfahan und die heissen Rhythmen durch die Randwüste machten die Fahrt erträglicher. Ziemlich "auf den Felgen" kamen wir in der auf 1575 m hohen gelegenen Oase Isfahan an. Die Stadt ist mit ihren unzähligen türkisfarbenen Kuppeln und den herrlichen Gärten und Palästen eine wahre Perle des Orients. Freitags (wie bei uns Sonntag) begaben wir uns, wie alle anderen Iranis, in den Park und picknickten gemütlich. Dann hiess es Abschied nehmen von Navid, der nach Tehran zurückkehrte. Er würde so gerne, wie viele andere Iraner, dieses Land verlassen. Das Volk wird vom islamistischen Staat total unterdrückt und Korruption ist an der Tagesordnung.

Der nette Receptionist von unserem Hotel hatte Tränen in den Augen und fragte, ob wir ihm nicht helfen könnten, ein Visa für die Schweiz zu besorgen...Natuerlich entsprechen ihre Vorstellungen von Europa nicht der Wirklichkeit... Unser nächstes Reiseziel war Shiraz. Auf der fruchtbaren Hochebene erblickten wir immer wieder traditionelle Dörfer, die hauptsächlich aus Lehmhütten bestanden. Bei den Wasserkanälen waren die Frauen am Waschen. Als wir eine Frau fragten, ob wir sie fotografieren dürfen, freute sie sich darüber und sie lud uns gleich zum Çay ein. Wir staunten nicht schlecht über das grosse und hübsche Haus hinter diesen Lehmmauern. Natürlich hätten wir bei der Familie übernachten können, wir wollten jedoch noch etwas weiter radeln.

Die kommenden Täler werden bewirtschaftet mit Reis, Getreide und Mais. In der Umgebung von Shiraz gibt es ausgedehnte Weingärten und der Wein war früher im ganzen Land bekannt. Seit der Revolution ist die Herstellung von Wein (zumindest offiziell) verboten. Die Shiraz-Traube wird mittlerweile vor allem in Australien, Südafrika und Südfrankreich angepflanzt. Kurz bevor wir die Hauptstadt der Provinz Fars erreichten, begann es kurz zu regnen und wir genossen die kurze, wohltuende Erfrischung!

Die Besichtigung der berühmtesten Stätten der Achämeniden (ca. 500 - 400 v.Chr.) in und um Persepolis war sehr eindrücklich. Dieses Areal von etwa 400 x 300 m wurde für grosse Empfänge anlässlich des iranischen Neujahrsfestes und für Siegesfeiern nach grossen Feldzügen benutzt. 332 v. Chr. wurde es von den Truppen Alexanders des Grossen besetzt.

Der Flug nach Mashad war sehr angenehm und trotz der günstigen Flugtickets wurde eine Zwischenmahlzeit serviert. Unsere Fahrräder, welche wir mit Karton eingekleidet hatten, überstanden den Transport unbeschädigt.
In Mashad, der Pilgerstadt, gibt es sehr viele Hotels in jeder Preisklasse. Die meisten einfachen Hotels lassen jedoch nur Einheimische, resp. Pilgerer, bei ihnen logieren. Deshalb dauerte es eine Weile, bis wir eine Unterkunft fanden. Ein Iraner erzählte uns von zwei anderen Schweizern, Lili und Bruno. Als wir ihm sagten, dass wir sie treffen möchten, fuhr er sofort zu ihnen und Lili traf innert Kürze bei uns ein. Das Buschtelefon in der zwei Mio.-Stadt funktioniert wunderbar! Es dauerte nicht lange, klopfte es an der Zimmer-Tür und Sekunden später klingelte das Telefon. Der aufgebrachte Receptionist wollte wissen, warum sich zwei Frauen im Zimmer befanden? Zur allgemeinen Beruhigung des Hotelpersonals begaben wir uns in einen öffentlichen Fruchtsaft-Laden.

Die Stadt Mashad wird jährlich von etwa 15 Mio. muslimischen Pilgern besucht. Der Zutritt zum Heiligen Bezirk, wo sich das Mausoleum (Grabstätte) des achten Imam Reza befindet, ist für Nicht-Muslime verboten. Trotzdem versuchten wir es bei einem der vier Eingänge reinzukommen. Nach einigen Telefonaten der Wächter erschien eine deutschsprechende Führerin. Eine Frau schenkte Nathalie ihren schwarzen Chador. Nachdem Nathalie´s nackten Füsse noch einige Diskussionen gaben, durften wir den ersten Hof betreten. Bis ganz zum Grabraum wurden wir nicht durchgelassen, aber wir bestaunten den vergoldeten Eingang und die ebenso mächtige vergoldete Kuppel über der Ruhestätte. Die religiöse Inbrust steigert sich hier bis ins Äusserste mit Küssen und Betasten des Grabaufbaus. Von zwei Fahrradkollegen haben wir den Tip bekommen, dass wir in Turkmenistan unbedingt die Hauptstadt Ashqabad besuchen müssen. Deshalb änderten wir unsere Route und radelten über die Berge nach Bajgiran, vorbei an vielen grünen Tälern, Nomaden und Schafherden. Seit wir im Iran eingereist sind, war die Luft nie mehr so gut und der Himmel so strahlend blau.
Gegen Mittag erreichten wir die Grenzstadt und wir ruhten uns etwas aus, um am 9. Juli morgens zugleich die Grenze zu passieren und um unser fünf Tage Transit-Visa voll auszunutzen. Mit Schrecken stellten wir jedoch fest, dass uns der turkmenische Konsular in Ankara genau den Einreise- und Ausreiseort in Turkmenistan im Visa vermerkt hatte. Übrigens soll der turkmenische Konsular in Tehran viel freundlicher sein und zwei holländische Radfahrer erhielten sogar ein Transit-Visa für sieben Tage.

Der eingetragene Einreiseort in unseren Pässen befand sich jedoch 500 km südöstlich in Sarakhs. Die Iranis meinten, dies sei kein Problem, aber wir wollten uns nicht auf ein Experiment einlassen und entschieden, die ganze Strecke zurück zu fahren. Die halbe Nacht waren wir unterwegs und erreichten Sarakhs am anderen Tag gegen Mittag.


FOTOGALERIE
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