Westchina/-tibet

 

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China - wir waren unheimlich neugierig auf dieses gigantische Land mit über 1,3 Mia. Einwohnern. Bereits an der Grenze wurden wir sehr hilfsbereit von den netten Chinesen empfangen. Sie packten kräftig mit an, um die Fahrräder die Treppe hinaufzuschieben. So etwas war uns schon lange nicht mehr passiert. Bei dem gut organisierten Zoll konnten wir die Formalitäten speditiv und unkompliziert erledigen. Die Strasse nach Kashgar führt durch Canyons mit dunkelroten Felsen und gleichfarbigen Flüssen. Manchmal verlöchert wie ein Emmentaler Käse, braun und geformt wie Mousse au chocolat oder in farbigen Schichten wie eine Crèmeschnitte, zeigten sich die Berge in den abwechslungsreichsten Formationen. Zugleich nach der Grenze entdeckten wir Kamele weiden, welche wie die Esel als Transportmittel genutzt werden.
Die Kinder tragen hier sehr praktische Hosen. In der Mitte sind sie von vorne bis hinten offen. Ob auf dem Markt, auf der Strasse oder zu Hause, die Kids erledigen ihr Geschäft unverzüglich.
Zur Kultur gehört hier Spucken und Schlürfen. Sitzt man beim Essen inmitten einer Gruppe Chinesen, schlürft es von allen Seiten. Die Nudeln werden mit den Stäbchen zum Mund geführt und dann herzhaft raufgezogen. Ein Live-Konzert vom Feinsten!

Kashgar, die grösste Oase Chinas, gefiel uns auf Anhieb. Mehr als 2000 Jahre bewegter Geschichte haben diese Stadt geprägt. Ein besonders orientalisches Flair findet man im Gewimmel der Altstadt. Auf dem riesigen Sonntags-Markt wird alles Mögliche angeboten. Von Stecknadeln, Potenzmitteln aus verschiedenen Reptilien bis zum Kamel ist alles zu erwerben.
Auf der "Bank of China" trafen wir die schweizer Motorrad-Fahrerin Lili wieder. Was für ein "Zufall"!? Natürlich feierten wir unser Wiedersehen mit einem leckeren pakistanischen Essen.
Super geklappt hat es mit dem Paket mit den gewünschten Ersatzteilen aus der Schweiz. Nach dem Grosseinkauf in einem riesigen Supermarkt (seit der Türkei den ersten!) hatten wir ernsthafte Pack-Probleme. Eine grosse Seitentasche musste jeder für Essensvorrat frei machen. Also war komplettes Umpacken angesagt.

Nun konnte es los gehen Richtung Tibet. Die ersten 260 km radelten wir am Rande der Taklamakan-Wüste entlang. Das Gehupe auf dieser Hauptstrasse ist einfach unglaublich. Teilweise hupen die Vehicles vom Dorfanfang bis zum -ende ohne Unterbruch, obwohl sie freie Fahrt haben. Nach der Verzweigung in den Tibet Xinjiang Hwy wurde es bedeutend ruhiger. Von da an führte die Strasse kontinuierlich aufwärts zur Karakoram-Gebirgskette. Am Horizont war ein Sandsturm in Sicht und wir pedalten direkt hinein. Danach regnete es wie aus Kübeln und unsere Füsse weichten sich auf wie schweizer Käse in den klitschenassen Schuhen. So einen Dauerregen waren wir uns nicht mehr gewohnt, weshalb wir uns nicht rechtzeitig die Regenklamotten angezogen hatten. Ziemlich durchgefroren stoppten wir beim ersten Haus und wir durften im gedeckten Innenhof unsere Schlafmatten ausbreiten. Die vielen neugierigen Kinderaugen beobachteten uns bis wir im Schlafsack waren und vortäuschten, dass wir schlafen.

Morgens packten wir unsere Füsse in Plastiksäcke ein und zogen die nassen Schuhe wieder an. Nachmittags zeigte sich die Sonne und wir breiteten alle unsere nassen Kleider aus. Ein Schafhirt leistete uns dabei Gesellschaft. Nach dem ersten "kleinen" Pass (3250 m.ü.M.) trafen wir Mandy und Beny an. Die beiden sind sei über einem Jahr unterwegs mit ihrem Tandem. Sie hatten ein Riesenpech: zuerst war die hintere Nabe defekt und abends, als wir gerade die geplante Höhe von 3800 m.ü.M. erreicht hatten, brach die Gabel. Für sie gab´s nur eines: zurück nach Kashgar und neue Komponenten besorgen. Wir kauften ihnen fast den ganzen Vorrat ab: Thermosflasche, Schokolade, Tofu, Hörnli, Taschenlampe, Benzin für den Kocher...und bereiteten gemeinsam ein leckeres Essen zu, ohne Rationalisierung. Morgens war es ziemlich kalt, da es in der Nacht geschneit hatte. Uns erwartete der erste 5000er Pass. Zur Akklimatisierung und da es gerade begann heftig zu schneien, zelteten wir nur 15 km weiter auf einer Höhe von 4350 m.ü.M. Morgens waren unsere Fahrräder und das Zelt eingeschneit.

Zu unserem grossen Glück zeigte sich bald die Sonne und die verschneite Landschaft war märchenhaft. Die sonst gute Strasse auf den 4980 m hohen Chiragsaldi Pass war weich und sumpfig vom Schmelzwasser und öfters mussten wir den Schlamm aus dem Schutzblech rauskratzen, da sich die Räder kaum mehr drehten.
Auf der Passhöhe begann es wieder zu stürmen. Bei klarem Wetter wäre der auf pakistanischem Boden hervorragende K2 zu bestaunen gewesen. Wir kleideten uns jedoch schnell warm und trocken ein und sausten den Berg runter.
Nach über einer Stunde "downhill" erreichten wir das "Dorf" Mazar, wo es einige Restaurants und Shops gibt. Alle Hütten sind an der Strasse gebaut und die Leute wohnen hier nur, um ihr Geschäft zu betreiben. In diesem sowie in den kommenden Dörfern haben wir keine Kinder gesehen. Irgendwie kam uns alles so unrealistisch vor, gestellt wie in Hollywood. Die Landschaft in dieser Gegend ist sehr karg und wüstenhaft, jedoch total faszinierend mit den Canyons, den klaren Bächen und den weissen Bergspitzen. Unterwegs trafen wir immer wieder Kamel- und Yak-Herden an. Ein riesiger Militärkonvoj mit LKWs, Panzern und Kanonen verhinderte unsere Weiterfahrt stundenlang.

Beim Entgegenkommen wirbelten sie so viel Staub auf, dass wir unmöglich radeln konnten. Also warteten wir ungeduldig. Sie waren jedoch alle ganz nett, winkten, strahlten uns an mit ihren Schlitzaugen und einer drückte uns sogar Mineralwasser in die Hand. Tagelang radelten wir durch immer wechselnde Landschaften. Besonders faszinierend war der Grenzübergang ins Tibet: auf einer Höhe von 5100 m.ü.M. befindet sich ein grosser türkisfarbener See. Unterwegs entdeckten wir immer wieder Herden von Tibetischen Antilopen, welche graziös mit ihrem langen Geweih davon sprangen. Unglaublich, in einer Gegend, wo es keine saftigen Grasbüschel gibt und die für Mensch und Tier auch vom Klima her ziemlich lebensfeindlich ist. Der klarblaue Himmel, manchmal geschmückt mit hübschen weissen Wolken wie "Wattenbüschel", erscheint einem auf diesen Hochplateaus so greifbar nahe. Der Zustand des "Highways" lässt zu Wünschen übrig: tage-/wochenlang rumpelten wir über die steinige, manchmal tief sandige und "wellige" Naturstrasse.

Manchmal fluchten wir ganz leise und manchmal ganz laut! Alles freiwillig...trotz allem, es lohnt sich alleweil! Nachts sanken die Temparaturen jeweils unter den Gefrierpunkt und mit dem anhaltenden Wind fühlte sich alles no! ch kälter an. Deshalb stellten wir unser Zelt je nach Möglichkeit vor 18 Uhr, somit hatten wir noch Zeit zu kochen. Unsere Schlafsäcke sind sogar bei diesen tiefen Temparaturen kuschelig warm. An einem wunderschönen Zeltplatz neben einem Bach trafen wir Cyclist Hayato aus Japan, ein 22-jähriger Student, der Richtung Heimat unterwegs ist. Etwas mehr als zwei Wochen reisten wir zusammen und hatten viel Spass. Meistens versammelten wir uns abends in unserem grossen Zelt bei Kerzenlicht, schlemmerten Schokolade und Biscuits bei einer Tasse Kaffee und sangen schweizer und japanische Lieder.

Natürlich sehnten wir uns nach 24 Tagen und 1250 km in Staub, Wind und Sonne nach einer warmen Dusche. Ab und zu waschten wir uns in den eiskalten Bächen, jedoch nur notdürftig und so schnell wie möglich. Stinkend, staubig, mit verbrannten Unterlippen und Nasen erreichten wir die westtibetische Stadt Ali/Shiquanhe. Eine unglaublich schöne Asphaltstrasse beginnt etwa 100 km vor diesem “Paradies” im Zentrum von Nirgendwo, auf einer Höhe von 4300 m gelegen. Die letzten 50 km radelten wir einander im "Windschatten", in unseren Köpfen: Ali, Ali, Ali... Zugleich kehrten wir in einem Restaurant ein und genossen das leckere chinesische Essen. Danach suchten wir uns ein Hotel, mit Toilette und warmer Dusche! Wir konnten es kaum fassen: fliessendes Wasser und erst noch warm! Ein unbeschreiblich wohltuendes Gefühl, wenn einem das warme Wasser von Kopf bis Fuss bis auf die Knochen erwärmt.

Einige Kilometer nach Ali befanden wir uns bereits wieder im "Sand". Jedoch waren von nun an die Täler bewohnter. Viele tibetische Bauernfamilien haben sich in dieser Gegend niedergelassen und schauen zu ihren Schafen, Geissen und Yaks. Einige Male ist es uns passiert, dass Tibeter nach einem Bild ihres geistlichen Oberhauptes, des DL*, gefragt haben. Die meisten Einheimischen tragen eine Halskette mit seinem Bild, welches sie uns jeweils voller Stolz zeigten. In der Zwischenzeit war es eisig kalt geworden, sogar die Bäche waren teilweise zu gefroren. Landschaftlich wunderschön, aber der permanente eiskalte Gegenwind liess uns kräftig in die Pedalen treten. Dennoch strampelten wir öfters mit nicht mehr als 6-7 Std./km über die flache "Pampa". Unsere Fahrräder mit dem vielen Gepäck sind nicht gerade windschlüpfrig. In den wenigen Dörfern unterwegs hatten wir meistens die Möglichkeit, bei Einheimischen für ein paar Franken zu übernachten. Einmal war es besonders heimelig: eine ganz kleine tibetische "Dorfbeiz", in der Mitte ein Ofen, welcher mit getrocknetem Yak- oder Schafdung geheizt wird, draussen natürlich ein Billard-Tisch und wir auf zwei Bänken, wo wir schlafen durften. Wir näherten uns immer mehr den schönen weissen Schneebergen, welche zum Snowboarden geradezu einladen würden, und somit unserem nächsten Ziel, dem heiligen Berg Kailash.

Plötzlich entdeckten wir ihn, stolz und markant ragt er mit einer Höhe von 6750 Metern hervor. Von Darchen aus, dem Dorf am Fusse des Berges, starten täglich unzählige Pilgerer die 53km lange Wanderung um den Berg. Bevor wir jedoch das Dorf erreichten, mussten wir einige tiefe Flüsse überqueren. Bei dem einten reichte es Nathalie nicht und sie stand mit klitschenassen Schuhen im eiskalten Wasser. Leider war das im Reiseführer beschriebene Hotel in der Zwischenzeit total herunter gekommen. Die "western toilets" entpuppten sich als eine einzige Katastrophe und von einer Dusche keine Spur. Die Enttäuschung war dementsprechend gross, da wir uns schon darauf gefreut hatten... Mount Kailash, der heiligste Berg Asiens, welchem vier wichtige Flüsse entspringen. Buddhisten und Hindus umwandern den Berg im Uhrzeigersinn, nur die Bön, Religion aus der Vor-Buddhistischen Zeit, die entgegengesetzte Richtung. 108 Umwanderungen des Pilgerweges garantieren einen Platz im Nirvana und eine lebenslängliche Befreiung aller Sünden.

Wir begegneten schon bald Pilgerern, welche summend und betend unterwegs waren. Die este Flanke des Kailash wurde ersichtlich und tausende von den farbigen Gebetsflaggen flatterten im Wind. Überall lagen Kleidungsstücke, Schuhe und Haare verstreut am Boden. Symbolisch lassen die Pilgerer ein "altes" Stück auf dem Weg zurück, als Zeichen dafür, dass sie nun gereinigt sind und die alten Laster niedergelegt haben. Wir liessen nichts Materielles liegen, schenkten aber einem viel zu leicht bekleideten Mönch ein paar dicke Socken. Die erste Nacht schliefen wir in einem Kloster, von wo aus man einen sensationellen Blick auf die Nordwand hat. Bevor wir am zweiten Tag die schneebedeckte Passhöhe erreichten, beobachteten wir Pilgerer, welche sich inbrüstig von Kopf bis Fuss auf den Boden warfen. Nach diesem dreitägigen Marsch freuten wir uns auf die gemütlichen tibetischen Restaurants in Darchen. Eigentlich wohnen im Tibet die Chinesen friedlich mit den Einheimischen zusammen. Trotzd em spürten wir ab und zu die gegenseitige Abneigung. Z.B. schärfte uns der Tibeter von der Telecomunication ein, dass wir nicht auf Chinesisch grüssen sollen. Oder zwei Tibeter halfen uns eifrig, die "Klick" an den Schuhen zu befestigen. Sie folgten danach unserer Einladung auf einen Tee im chinesischen Restaurant.

Der sonst sehr freundliche Chinese bediente die zwei Tibeter mit offensichtlichem Widerwillen... Weiter auf welligen, sandigen und steinigen Strassen radelten wir Richtung Lhasa, stellten jedoch bald fest, dass wir es mit solchen Strassenverhältnissen nicht bis am 25. Oktober zur Visa-Verlängerung in die Hauptstadt Tibets schaffen werden. Wir beschlossen zu radeln und wenn wir eine Staubwolke, resp. einen LKW im Rückspiegel entdeckten, diesen anzuhalten. Unser Enthusiasmus schmelzte dahin, als am zweiten Tag die paar wenigen Truck-Führer immer noch lächelnd ungebremst an uns vorbei rauschten. In Raga, ein kleines Dorf wo sich die Nord-Süd-Routen Tibets verzweigen, begann es heftig zu schneien. Beim Chechpoint der Polizei erzählten wir ihnen unser Visa-Problem. Wir ermutigten den Beamten, die Fahrer beim Prüfen der Dokumente zu fragen, ob sie uns mitnehmen. Wir sassen somit den ganzen Nachmittag in der gemütlichen Polizeistation am Ofen während es draussen winterlich schneite.

Jedoch war der Polizist erfolglos. Also strampelten wir weiter und uns blieb nichts anderes ü brig, als die paar Tage Aufenthalts-Überzug teuer zu bezahlen. Wir hatten es bereits aufgegeben eine Mitfahrgelegenheit zu haben, da trafen wir zwei Truck-Fahrer, welche mit Mineral-Steinen unterwegs nach Lhaze waren. Und tatsächlich, sie zögerten nicht lange und schwups waren wir weg. Die 190km lange Fahrt nach Lhaze über einige Pässe dauerte über 12 Stunden, inklusive Plattfuss. Morgens um 2 Uhr erreichten wir die Stadt, nachdem wir den Polizei-Checkpoint passiert hatten, wo wir und die Fahrer einen Rüffel einfingen. Es wäre nicht gestattet, als Fahrrad-Touristen mit anderen Verkehrsmitteln im Tibet unterwegs zu sein. Wir erklärten ihm unser Visa-Problem und er meinte darauf, wir sollen nun gehen. Das liessen wir uns nicht zwei Mal sagen. Zum Glück hatten wir die Reise-Genehmigung für Destinationen im Tibet in Darchen beim Mt. Kailash gelöst und die Busse bezahlt, sonst hätten wir ein wirkliches Problem gehabt. Es war nicht so einfach, um zwei Uhr morgens ein Hotel-Zim mer zu finden. Jedoch hatten wir absolut keine Lust, in dieser Kälte aus der Stadt rauszufahren und das Zelt aufzubauen. Also weckten wir hartnäckig zwei Frauen, die bei der Reception schliefen. Nicht allzu entzückt zeigten sie uns ein kleines Zimmer, worüber wir natürlich sehr froh waren.

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